Die Strategien der Bäume im Winter

Lake Louise

Leise rieselt eine weiße Flocke nach der anderen vom Himmel herab und legt sich auf die Erde. Die Schneeschicht wird langsam dicker und auch an den Bäumen geht die weiße Pracht nicht spurlos vorüber. Nun zeigt sich welche unterschiedlichen Strategien Bäume verfolgen, um unter der teils hohen Last nicht zusammenzubrechen. 

Unsere heimischen Laubbäume sorgen bereits im Herbst für solche Wettereignisse vor. Mit dem Laubabwurf minimieren sie ihre Angriffsfläche für hohe Schneelasten enorm. Würde ein großer Laubbaum seine vielen Tausend Blätter im Herbst nicht abwerfen, würde er im Winter abgebrochene Äste oder schlimmstenfalls einen kompletten Umsturz riskieren. Nicht nur der Schnee birgt Gefahren, auch Winterstürme zerren mit einer Kraft von bis zu über 200 Tonnen an den Bäumen. Eine kahle Krone steigert die Chancen den Winter unbeschadet zu überstehen daher deutlich.  

Diese Lektion müssen kleine Laubbäume häufig erst schmerzhaft lernen. Bei Schnee biegen sich ihre dünnen, flexiblen Stämme einfach nach unten, um sich bei Tauwetter wieder unbeschadet aufzurichten. Ab einer Höhe von etwa drei bis fünf Metern führt diese akrobatische Bewegung allerdings zu kleinen Rissen im Holz. Diese schmerzliche Erfahrung sorgt dafür, dass die jungen Bäume ihre Blätter zukünftig ebenfalls im Herbst abwerfen.  

Warum Nadelbäume ihre Nadeln nicht abwerfen

Doch warum müssen die meisten Nadelbäume ihre unzähligen Nadeln, die letztendlich auch Blätter sind, vor dem Winter nicht abwerfen? Ein Blick auf die Stellung der Äste verrät die Antwort. 

Laubbäume strecken ihre Äste wie Arme gen Himmel und bilden somit eine Art Trichter. Sie haben das Sammeln von Wasser regelrecht perfektioniert. Bei einem Regenschauer treffen die Tropfen auf die Äste und werden von dort zielgerichtet über den Stamm zu den Wurzeln geleitet. Gerade im Winter gelangt das Wasser ungehindert zu Boden, dessen Tank sich für den nächsten Sommer wieder füllen kann. Wie aktuelle Forschungen zeigen, sind unsere heimischen Laubbäume maßgeblich auf die Winterniederschläge angewiesen, von denen sie auch im Sommer zehren.

Die meisten Nadelbäume, wie Fichte und Kiefer, sind ursprünglich weit im Norden, etwa in Lappland oder Sibirien, beheimatet. Mit Wassermangel haben sie dort in der Regel nicht zu kämpfen. Es sind vielmehr hohe Schneelasten, die ihnen zu schaffen machen. Ihre Äste sind daher eher nach unten geneigt und wirken wie ein Regenschirm. Wenn sich der Schnee schwer auf die Äste legt, werden sie durch diese Stellung einfach etwas näher an den Stamm gerückt, ohne dass ein Abbrechen droht. Aus diesem Grund müssen sie auch ihr Nadelkleid vor der Winterruhe nicht ablegen. Angesichts der kurzen Sommer im hohen Norden ist dies ein großer Vorteil. Wenn sie all ihre Nadeln zu Beginn des Sommers erst aufwendig erneuern müssten, wäre es für die Bäume fast unmöglich genügend Zucker für die Winterpause zu produzieren. Statt die gesamten Blätter zur gleichen Zeit abzuwerfen, erneuern sie ihre Nadeln daher schrittweise und sorgen somit selbst im Winter für einen Farbklecks in der sonst eher eintönigen Landschaft. Allzeit bereit können sie zudem mit der Zuckerproduktion starten, sobald sich die ersten Sonnenstrahlen am Himmel zeigen. Bei frostigen Temperaturen ist es allerdings möglich, dass die Nadeln erfrieren. Doch auch dieser Gefahr sind die Bäume nicht schutzlos ausgeliefert. Als Gegenmaßnahme lagern sie einen Frostschutz in den Nadeln ein. 

Perfekt an die harten Winter des Nordens angepasst, haben es die Nadelbäume in den trockenen Sommermonaten Mitteleuropas hingegen besonders schwer. Rund ein Drittel des Regens bleibt in ihren Kronen hängen und verdunstet dort ungenutzt, ohne jemals in die Nähe der Wurzeln zu gelangen. Während Wanderer sich bei einem Regenschauer über einen trockenen Unterstand freuen, leiden die Nadelbäume in unseren Breiten großen Durst. Ihnen geht sprichwörtlich die Spucke aus.   

Nadelbäume sind also wahre Schnee-Experten, während Laubbäume sich auf das Wassersammeln spezialisiert haben. Die Aststellung gibt folglich einen Hinweis darauf, in welchen Regionen sich Bäume wohl fühlen. Ein Grund mehr sich die Riesen des Waldes einmal genauer anzuschauen.

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