Mischwald – Warum der Begriff irreführend ist

Der Begriff "Mischwald" hat auf den ersten Blick einen positiven Klang. Er weckt Assoziationen von Naturvielfalt und gesunden Wäldern. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass das Konzept eines Mischwaldes, wie es heute vielfach umgesetzt wird, mehr Schaden anrichtet als es nützt.

Der Niedergang der Monokultur

Monokulturen, wie die großflächigen Fichtenplantagen, haben sich als besonders anfällig erwiesen. Wenn eine einzige Baumart hektarweise gepflanzt wird, schafft dies ideale Bedingungen für Schädlinge. Zusätzlich reagiert eine Monokultur äußerst sensibel auf Klimaveränderungen: Passen die Bedingungen nicht mehr zur Baumart, stirbt die gesamte Fläche ab.

Die Idee des Mischwaldes

Im Vergleich dazu ist eine Mischung aus verschiedenen Baumarten widerstandsfähiger gegenüber äußeren Einflüssen. Nicht in Reinkultur gepflanzt, sondern mit Buchen und Eichen gemischt, profitieren zum Beispiel selbst empfindlichere Arten wie die Fichte, wie Studien zeigen. Schädlinge haben es dort schwerer, sich zu vermehren. Doch führt die bloße Erhöhung der Anzahl von Baumarten tatsächlich zu mehr Artenvielfalt und einem stabileren Ökosystem?

Invasive Arten und ihre Folgen

Hier beginnt die Problematik. Nehmen wir die Roteiche (Quercus rubra), die oft als zukunftsfähige Baumart angesehen wird. Eine Studie der Universität Krakau zeigt, dass die Roteiche negative Auswirkungen auf das hiesige Ökosystem hat. Ihre Blätter enthalten Phenole, die den Humusabbau beschleunigen, Kohlenstoff freisetzen und die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens verringern. Zudem werden wichtige Mykorrhiza-Pilze, die in Symbiose mit den Bäumen leben, geschädigt. Die Roteiche fördert also nicht die Widerstandsfähigkeit des Waldes, sondern gefährdet diese sogar. Die Autor*innen der Studie raten deshalb gar dazu, diese zu entfernen, wo sie sich angesiedelt hat oder angesiedelt wurde. 

Ein weiteres Beispiel ist die Douglasie (Pseudotsuga menziesii), die ebenfalls als "Zukunftsbaum" gehandelt wird. Sie besitzt hervorragende Holzeigenschaften und wächst schnell. Doch auch sie bringt Probleme mit sich: In eigentlich eher lichten Eichenwäldern auf trocken-warmen Standorten beispielsweise verdrängt sie durch ihren Schattenwurf die natürliche Bodenvegetation und verändert das Mikroklima. Dadurch, dass sie immergrün ist, startet sie sehr früh im Jahr bereits mit der Photosynthese und verbraucht dabei Wasser aus Winterniederschlägen, das dann im Sommer den heimischen Baumarten wie der Eiche fehlt. Anstatt den Wald stabiler zu machen, fördert die Douglasie dessen Instabilität. 

Roteiche und Douglasie gelten laut Bundesamt für Naturschutz als invasive Arten. Sie sind in der Lage, heimische Ökosysteme zu verdrängen und bedrohen die Artenvielfalt. Weltweit sind invasive Arten an 60 % aller Aussterbeereignisse beteiligt. Doch selbst bei heimischen Baumarten kann eine Anpflanzung durch den Menschen negative Folgen haben.  

Mischwald aus heimischen Baumarten

Ein natürlicher Buchenwald, der aufgrund seines dichten Blätterdachs der dominierenden Baumart Buche (Fagus sylvatica) ein kühles Mikroklima schafft, kann durch das künstliche Einbringen von hitzetoleranteren Baumarten geschwächt werden. Diese Baumarten brauchen für ein gesundes Wachstum mehr Licht am Boden als viel schattentolerante Baumarten wie die Buche. Werden nun alte Buchen gefällt, damit beispielsweise gepflanzte Elsbeeren (Sorbus torminalis) mehr Licht bekommen, steigt die Gefahr von Trockenheit und Hitze. Auch hier drohen dem Wald schlimme Schäden. Im schlechtesten, aber gar nicht unwahrscheinlichen Fall werden die alten Buchen durch den Eingriff so geschwächt, dass innerhalb weniger Jahre der gesamte Wald abstirbt und nur noch die jüngsten Bäume überleben. Wo aber sollen in einem solchen Jungwald z.B. Spechte oder Fledermausarten einen Wohnraum finden? Zudem sind gigantische Mengen an Kohlenstoff frei geworden und viele weitere für uns so wichtige Ökosystemleistungen des Waldes funktionieren viel schlechter als vor dem Eingriff.  

Eine Ausnahme gibt es jedoch, bei der in unseren Augen eine gezielte Wiedereinbringung von Baumarten sinnvoll ist: Wenn der Mensch diese vorher entfernt oder eine Ansiedlung verhindert hat. Aber auch dann sollten die Eingriffe sehr maßvoll geschehen und der Wald z. B. nicht künstlich aufgelichtet, sondern natürliche Lücken genutzt werden.  

Die Problematik des Begriffs „Mischwald“

Ein zentrales Problem ist die weitverbreitete Missinterpretation des Begriffs „Mischwald“. Naturwälder, insbesondere Buchenwälder, werden so fälschlicherweise zu Monokulturen degradiert, wenn sie nicht die Vielfalt an Baumarten aufweisen, die manch einer unter einem Mischwald versteht. Doch das ist schlicht falsch. In Wirklichkeit sind diese Wälder hochgradig artenreiche Ökosysteme, in denen gut und gerne 12.000 Arten oder mehr einen Lebensraum gefunden haben. Durch ihre spezielle, über Jahrmillionen gewachsene Zusammensetzung besitzen diese Wälder eine bemerkenswerte Resilienz und Widerstandsfähigkeit gegenüber Umweltveränderungen. Ein natürlicher Buchenwald ist dabei weit entfernt von einer Baumartenmonokultur. 10 Baumarten und mehr sind es eigentlich immer, die sich in ihm zusammenfinden. Aber es gibt auch nicht wenige vom Menschen angelegte oder stark beeinflusste Buchenwälder, bei denen wir tatsächlich von einer Monokultur oder Plantage sprechen müssen. Diese sollten wir aber nicht als Referenzflächen für echte Buchenwälder heranziehen.  

Wenn wir von einem "echten" Wald sprechen, meinen wir immer eine Gemeinschaft von Arten – niemals eine Monokultur oder Plantage. Darin dominieren einzelne Baumarten, doch es ist gleichzeitig immer Platz für „Minderheiten“. Unsere Hilfe zur Mischung braucht es dabei nicht. 

Warum also der Drang, Mischwälder anzulegen? Unser Hunger nach Nadelholz ist die Ursache. Meist ist mit einem Mischwald eine Mischung aus Nadel- und Laubbaumarten gemeint. Natürlicherweise sind in Laubwäldern im Flachland und den meisten Mittelgebirgen aber nur sehr vereinzelt Nadelbaumarten wie die Weiß-Tanne (Abies alba) eingestreut. Aufgrund spezieller Eigenschaften des Holzes von Nadelbäumen sind diese aktuell auf dem Markt stärker nachgefragt. Diese führt dazu, dass nach wie vor landauf und landab Nadelbäume gepflanzt werden, obwohl eigentlich klar ist, dass diese meist nicht für unsere Klimabedingungen gewappnet sind. Werden nun keine Nadelbaum-Monokulturen angelegt sondern Mischwälder, ist das sicherlich ein Fortschritt. Fraglich ist nur, ob dieser Fortschritt ausreicht, um den eskalierenden Krisen des 21. Jahrhunderts, wie der Erdüberhitzung oder dem Artensterben, gerecht zu werden? Wir meinen ganz klar: Nein! Wir sollten dringend mindestens drei mutige Schritte nach vorne gehen und wissenschaftliche Erkenntnisse nicht länger ignorieren.  

Vertrauen in die Natur und ihre Prozesse

Unsere Aufgabe als Gesellschaft sollte es sein, abzuwägen, ob der Fokus auf einem bestimmten Rohstoff oder auf dem Erhalt unserer Lebensgrundlage - funktionierende Ökosysteme - liegen sollte. Neue, vermeintlich besser angepasste Mischwälder zu schaffen ist die Hoffnung auf ein "Weiter so" mit erheblichen Risiken. Stattdessen sollten wir mehr Vertrauen in die Jahrmillionen alte Waldbauerfahrung der Natur setzen. Natürlich gewachsene Wälder haben ihre Widerstandskraft über lange Zeiträume entwickelt und bewiesen. Sie zu schützen und zurückzuholen, ist in unser aller Interesse.

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