In der Weihnachtszeit halten wieder viele Tannen Einzug in die guten Stuben und verwöhnen unsere Nasen mit ihrem harzigen Duft. Der ursprünglich besungene Tannenbaum dürfte aber nur ein sehr seltener Gast in den Wohnzimmern der Nation sein. So ist es mittlerweile meist die ursprünglich im Kaukasus beheimatete Nordmann-Tanne, ab und an aber auch die Fichte oder die Blau-Fichte, die uns mit ihrem lebendigen Grün erfreuen.
Als das Brauchtum circa im 16. Jahrhundert seinen Anfang nahm, war das noch ganz anders. Damals waren es wohl überwiegend Weiß-Tannen, die den Weg zunächst in die Stuben der wohlhabenden Bevölkerung gefunden hatten. Das die Nordmann-Tanne unserer heimischen Weiß-Tanne den Rang als beliebtester Weihnachtsbaum eindeutig abgelaufen hat, hat verschiedenen Gründe. So wirkt die Nordmann-Tanne aufgrund der Anordnung ihrer Nadeln stets etwas fülliger als ihre Verwandte und hängt noch etwas ausdauernder an ihrem Nadelkleid. Dafür überzeugt die Weiß-Tanne mit einem deutlich intensiveren Duft, der den weihnachtlichen Geruchscocktail bei uns zu Hause wunderbar bereichern kann.
Doch nicht nur an Weihnachten, sondern auch insgesamt hat die Weiß-Tanne in den vergangenen Jahrhunderten deutlich an Bedeutung verloren. So fühlt sie sich eigentlich in Gesellschaft der Rotbuche pudelwohl und bereichert natürlicherweise vor allem die süd- und mitteldeutschen Mittelgebirge als immergrüner Farbklecks im ansonsten eher grauen Winterwald. Ihrer Eigenschaft, ebenso wie der junge Buchennachwuchs jahrzehntelang im dunklen Dämmerlicht der Eltern auf einen Platz an der Sonne warten zu können, verdankt sie ihren Stammplatz in den heimischen Buchenurwäldern. Zudem profitiert sie von dem ausgeglichenen Wohlfühlklima des dicht geschlossenen Kronendachs der alten Buchen. Ihre deutlich weniger säurehaltigen Nadeln schmecken den Bodenbewohnern offensichtlich besser als die saure Streu von z.B. Fichte- und Kiefer. Diese zersetzen sich daher ähnlich schnell, wie das Laub von Buche und Co. Bei Waldexperten gilt sie aufgrund dieser Eigenschaften auch als „heimlicher Laubbaum unter den Nadelbäumen“.
Seitdem die einst ausgedehnten Buchenwälder, die ursprünglich als dichter grüner Teppich beinahe Dreiviertel der Landfläche Deutschlands bedeckten, überwiegend durch Nadelholzplantagen ersetzt wurden, ist auch die Weiß-Tanne bei uns auf dem Rückzug. Ihre Empfindlichkeit für Luftschadstoffe sowie die Vorliebe des Wildes für ihre schmackhaften Nadeln machen ihr das Leben zusätzlich schwer.
Aufgrund der erfreulicherweise gestiegenen Luftqualität und der vergleichsweise guten Trockenheitsresistenz der Weiß-Tanne entdecken jedoch auch zunehmend viele Förster „unseren Tannenbaum“ wieder für sich.
Wir würden uns in jedem Fall sehr freuen, wenn die über 60 Meter hoch werdenden Baumriesen zukünftig wieder häufiger über ein Meer aus wogenden Buchenwipfeln wachen.