Echte Urwälder gibt es in Deutschland schon lange nicht mehr. Sie mussten vielerorts Holzplantagen aus gebietsfremden Nadelbäumen weichen und selbst in den „naturnah“ bewirtschafteten Laubwäldern werden die meisten Bäume gefällt, bevor sie überhaupt das Erwachsenenalter erreichen. Umso wichtiger ist es, jetzt den Wäldern die Möglichkeit zu geben, sich wieder zu Urwäldern entwickeln zu können. Wohllebens Waldakademie hat 2017 das UrwaldProjekt ins Leben gerufen, um die letzten alten Laubwälder in Deutschland zu schützen. Die Wälder des UrwaldProjekts sind meist schon über 120 Jahre alt und wurden seit Jahrzehnten nicht mehr bewirtschaftet. Auf den Flächen des UrwaldProjekts rund um Wershofen gibt es daher schon jetzt zahlreiche imposante Bäume, die einen wertvollen Lebensraum für viele Arten darstellen. In einigen Bäumen haben Spechte ihre Höhlen gezimmert, um darin zu brüten. Im nächsten Jahr nutzen sie oft schon eine neue, und die alte wird frei für andere Tiere. Auch tote Bäume sind oft noch voller Leben. Käfer und andere Insekten fressen sich durchs Holz, unter losen Rindenstücken finden Fledermäuse einen Schlafplatz und Pilze durchziehen den Baum mit ihrem Myzel. Umgefallene Bäume werden über Jahre und Jahrzehnte hinweg von unzähligen Kleintieren zu Humus zersetzt und die Nährstoffe an den Boden zurückgegeben. Dieser Kreislauf des Lebens kann so nur in einem natürlichen Wald ohne menschliches Einwirken stattfinden.
Doch handelt es sich selbst hierbei noch lange nicht um vollwertige Urwälder im eigentlichen Sinne. Das UrwaldProjekt soll jedoch dafür sorgen, dass sich diese vielversprechenden Wälder in den nächsten 50 Jahren ungestört weiterentwickeln können. Bis es richtige Urwälder sind, in denen keine Folgen der einstigen menschlichen Nutzung mehr erkennbar sind, können noch Jahrhunderte vergehen.
Um die Entwicklung beobachten zu können, ist es zunächst wichtig zu wissen, wie der aktuelle Zustand aussieht. Deshalb wurde Ende Oktober von unserem Praktikanten Roland eine Biotopbaumkartierung durchgeführt. In der gewählten Teilfläche stehen Buchen, Eichen, Hainbuchen und Eschen. Die ältesten Bäume wurden auf über 300 Jahre geschätzt. Es gibt aber auch Bereiche mit überwiegend jüngeren Bäumen. Einige Stellen sind sehr nass und zeitweise fließen sogar kleine Bächlein, anderswo stehen die Bäume direkt auf den Felsen. In zwei Bereichen wurden durch Sturm mehrere Bäume entwurzelt, deshalb gibt es auch sehr viel liegendes Totholz. Diese Vielfalt machte die Fläche besonders interessant für die erste Biotopbaumkartierung.
Roland suchte dafür die Bäume, die besondere Lebensräume aufwiesen, wie zum Beispiel Höhlen, Horste und Totholz. Daneben wurden auch Art, Alter, Größe und sonstiger Zustand notiert. Insgesamt fanden sich in dem knapp 8 Hektar großen Waldstück 126 Biotopbäume. Jeder dieser Bäume erhielt eine digitale Nummer und wurde mit GPS auf einer Karte eingetragen. All diese Daten wurden anschließend am Computer zusammengeführt und ausgewertet. In QGIS, einer Software zur Verarbeitung geographischer Informationen, entstand so eine interaktive Karte. Mit ihr lassen sich nicht nur die einzelnen Bäume, sondern auch ihre Lebensräume und sonstigen Daten grafisch darstellen.