Christian Kroll: Wann ist es sinnvoll Bäume zu pflanzen?
Für die Internetrecherche wird gerne kurzerhand Google als Suchmaschine genutzt. Doch im Jahr 2009 hat Christian Kroll mit Ecosia für eine nachhaltige Alternative gesorgt. Während einer Weltreise erlebte Kroll die massive Zerstörung von Ökosystemen und soziale Ungerechtigkeiten weltweit. Das trieb ihn an eine Suchmaschine zu kreieren, durch deren Nutzung man nebenbei bestehende Wälder retten und neue entstehen lassen kann. Was Ecosia so einzigartig macht, welche Schwierigkeiten es in der Anfangsphase gab und wie inspirierend dieses Konzept für andere Unternehmen sein kann bespricht Peter Wohlleben mit dem Ecosia-Gründer, Christian Kroll, in seinem aktuellen Podcast.
Peter Wohlleben: In meinem Film habe ich die Aussage gemacht: Wer pflanzt ist doof! Das ist mir im Nachhinein fast peinlich, weil du bei der Premiere des Films dabei warst und ich ja ein Unterstützer von Ecosia bin.
Christian Kroll: Die Aussage klingt im ersten Moment natürlich etwas komisch, aber in Deutschland stimmt sie ja auch. Wir arbeiten allerdings in vielen Regionen weltweit, in denen man pflanzen muss, weil von alleine nichts mehr wächst. Wir sind zwar die Suchmaschine, die pflanzt. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir überall Setzlinge pflanzen. Unser Ziel ist es, Bäumen die Möglichkeit zum Wachsen zu geben. Das kann auf vielfältige Weise geschehen, z.B. durch Aussaat oder indem wir trockene Böden wieder fruchtbar machen.
Peter Wohlleben: Das macht auch Sinn. Viele Baumpflanzprojekte machen nur Versprechungen, aber bei euch sind die Bäume auch tatsächlich vorhanden, oder?
Christian Kroll: „Wenn man alle Versprechen zusammenzählt müsste unser ganzer Planet voller Bäume sein.“
Christian Kroll: Ja, wir pflanzen sogar teilweise 10% mehr Bäume als wir zählen, da wir die Mortalität mit einbeziehen. Erst wenn ein Baum 3 Jahre lang überlebt hat, wird er auch gezählt. Bei unseren Projekten weltweit merken wir immer wieder, dass bei anderen Organisationen leider viel weniger passiert als versprochen wird.
Peter Wohlleben: Es ist ja auch ganz entscheidend, was für eine Art Wald gepflanzt wird. Was pflanzt ihr denn?
Christian Kroll: „Es ist einfach Bäume zu pflanzen, aber dafür zu sorgen, dass sie auch stehen bleiben ist die Herausforderung.“
Christian Kroll: Wir wollen echte Ökosysteme fördern und keine Monokulturen. Daher achten wir auf einheimische Arten. Für uns ist nicht nur wichtig was gepflanzt wird, sondern auch wie. Die Menschen vor Ort sollen langfristig von unseren Projekten profitieren. Wir beziehen, daher die jeweiligen Gemeinden mit ein, damit sie verstehen, was ihnen die Bäume bringen. Nur wenn das Verständnis da ist, haben die Bäume auch eine Chance stehen zu bleiben. Vorrangig wollen wir natürlich bestehende Wälder schützen und nicht dafür sorgen, dass alte Wälder abgeholzt und dafür neue Bäume gepflanzt werden.
Peter Wohlleben: Wie schafft ihr es auf Augenhöhe mit den Menschen vor Ort zu kommunizieren und nicht als weiße Frauen und Männer aufzutreten, die den Einheimischen erklären wollen, wie der Wald zurückkommt?
Christian Kroll: Wir sind nicht der Meinung, dass wir die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Wir glauben im Gegenteil, dass wir viel von den Kulturen in den Entwicklungsländern lernen können. In Sachen Naturverständnis und Zusammenhalt ist Deutschland ein Entwicklungsland. Wir gehen mit der Einstellung heran, dass wir lernen und zuhören wollen und nichts vorschreiben. Ecosia pflanzt ja selber keine Bäume, sondern arbeitet mit lokalen Partnerorganisationen zusammen, die von Einheimischen geführt werden und die Bedürfnisse der Menschen vor Ort genau kennen.
Peter Wohlleben: Ich habe mal gehört, dass es einen regelrechten Wettbewerb zwischen den Dörfern gibt, stimmt das?
Christian Kroll: Bei einigen Projekten haben sich die Organisatoren tatsächlich eine Art Spielmechanismus überlegt. Die Dörfer pflanzen dann wirklich um die Wette. Dieser Wettkampfgeist steckt ja auch irgendwie in uns allen drin.
Christian Kroll: „Das Pflanzen von Bäumen ist eine Superwaffe.“
Christian Kroll: Wir pflanzen nicht nur Bäume, sondern auch Zusammenhalt und Hoffnung. Es gibt zahllose Konflikte in den einzelnen Regionen, beispielweise zwischen Religionen oder verschiedenen Stämmen. Wenn die Menschen einmal einen Baum zusammen gepflanzt haben und merken, dass ihr Einkommen und ihre Lebensgrundlage davon abhängen, verstehen sie sich häufig auch besser. Das Pflanzen von Bäumen ist daher eine Superwaffe, nicht nur zur Lösung des Klimawandels, sondern auch in sozialer Hinsicht.
Peter Wohlleben: In Deutschland stockt die Energiewende ja. Da wäre ein Wettbewerb auch ein schönes Politikmodell. So in die Richtung: Wer hat die coolste Solaranlage? Wer erzeugt die meisten Kilowattstunden und zapft am wenigsten aus dem Netz ab?
Christian Kroll: Wir haben in den letzten Jahren viel in erneuerbare Energien investiert, sodass wir bei Ecosia nicht nur 100%, sondern 200% unseres eigenen Strombedarfs selber decken. Wir dachten uns, warum bei 100% aufhören. Das regt mittlerweile viele Unternehmen zum Nachmachen an.
Peter Wohlleben: Cool, das ist ja genau der Wettbewerb, den ich mir vorstelle. Die Anfänge von Ecosia waren bestimmt nicht leicht, oder?
Christian Kroll: Die ersten Jahre waren tatsächlich sehr zäh, da wir bewusst auf Investoren im Unternehmen verzichtet haben, um zu verhindern, dass jemand Externes die Kontrolle über Ecosia hat. Wir haben mittlerweile sogar rechtlich verbindlich festgelegt, dass Ecosia niemals verkauft werden kann und es unmöglich ist hieraus Gewinne zu ziehen. So haben wir ein unabhängiges, glaubwürdiges Unternehmen geschaffen, in dem es wirklich um den Zweck und nicht um Profitmaximierung geht.
Peter Wohlleben: Ihr seid auch super transparent, wenn man sich eure Homepage anschaut. Das finde ich toll.
Christian Kroll: Transparenz ist für unsere Nutzer wichtig. Das Prinzip, dass wir nicht Profit maximieren, sondern quasi Bäume maximieren ändert so viele Dinge im Unternehmen, die sonst anders laufen würden. Ich hoffe, dass sich hieraus eine neue Art des Wirtschaftens entwickelt.
Peter Wohlleben: „Ich liebe ja Sachen, die nicht weh tun.“
Peter Wohlleben: Im Kampf gegen den Klimawandel müssen wir jetzt anfangen und was liegt da näher als einfach die Suchmaschine zu wechseln. Ich liebe ja Sachen, die nicht weh tun.
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