Doch warum müssen die meisten Nadelbäume ihre unzähligen Nadeln, die letztendlich auch Blätter sind, vor dem Winter nicht abwerfen? Ein Blick auf die Stellung der Äste verrät die Antwort.
Laubbäume strecken ihre Äste wie Arme gen Himmel und bilden somit eine Art Trichter. Sie haben das Sammeln von Wasser regelrecht perfektioniert. Bei einem Regenschauer treffen die Tropfen auf die Äste und werden von dort zielgerichtet über den Stamm zu den Wurzeln geleitet. Gerade im Winter gelangt das Wasser ungehindert zu Boden, dessen Tank sich für den nächsten Sommer wieder füllen kann. Wie aktuelle Forschungen zeigen, sind unsere heimischen Laubbäume maßgeblich auf die Winterniederschläge angewiesen, von denen sie auch im Sommer zehren.
Die meisten Nadelbäume, wie Fichte und Kiefer, sind ursprünglich weit im Norden, etwa in Lappland oder Sibirien, beheimatet. Mit Wassermangel haben sie dort in der Regel nicht zu kämpfen. Es sind vielmehr hohe Schneelasten, die ihnen zu schaffen machen. Ihre Äste sind daher eher nach unten geneigt und wirken wie ein Regenschirm. Wenn sich der Schnee schwer auf die Äste legt, werden sie durch diese Stellung einfach etwas näher an den Stamm gerückt, ohne dass ein Abbrechen droht. Aus diesem Grund müssen sie auch ihr Nadelkleid vor der Winterruhe nicht ablegen. Angesichts der kurzen Sommer im hohen Norden ist dies ein großer Vorteil. Wenn sie all ihre Nadeln zu Beginn des Sommers erst aufwendig erneuern müssten, wäre es für die Bäume fast unmöglich genügend Zucker für die Winterpause zu produzieren. Statt die gesamten Blätter zur gleichen Zeit abzuwerfen, erneuern sie ihre Nadeln daher schrittweise und sorgen somit selbst im Winter für einen Farbklecks in der sonst eher eintönigen Landschaft. Allzeit bereit können sie zudem mit der Zuckerproduktion starten, sobald sich die ersten Sonnenstrahlen am Himmel zeigen. Bei frostigen Temperaturen ist es allerdings möglich, dass die Nadeln erfrieren. Doch auch dieser Gefahr sind die Bäume nicht schutzlos ausgeliefert. Als Gegenmaßnahme lagern sie einen Frostschutz in den Nadeln ein.
Perfekt an die harten Winter des Nordens angepasst, haben es die Nadelbäume in den trockenen Sommermonaten Mitteleuropas hingegen besonders schwer. Rund ein Drittel des Regens bleibt in ihren Kronen hängen und verdunstet dort ungenutzt, ohne jemals in die Nähe der Wurzeln zu gelangen. Während Wanderer sich bei einem Regenschauer über einen trockenen Unterstand freuen, leiden die Nadelbäume in unseren Breiten großen Durst. Ihnen geht sprichwörtlich die Spucke aus.
Nadelbäume sind also wahre Schnee-Experten, während Laubbäume sich auf das Wassersammeln spezialisiert haben. Die Aststellung gibt folglich einen Hinweis darauf, in welchen Regionen sich Bäume wohl fühlen. Ein Grund mehr sich die Riesen des Waldes einmal genauer anzuschauen.