Eine Nacht im Winterwald

Wie man bei -7°C im Wald übernachtet

Wohllebens Waldakademie

Die Corona-Pandemie bestimmt die Welt, daher muss natürlich auch meine Ausbildung zum Outdoor- und Trekking Guide pausieren. Ende Januar war eigentlich eine viertägige Trekkingtour durch den verschneiten Schwarzwald geplant. Aber zu Hause ist es ja ohnehin am schönsten und Schnee gibt es gerade auch, also warum nicht einfach alleine draußen übernachten und die Ausrüstung auf Wintertauglichkeit testen. Gesagt, getan. Der Rucksack ist schnell gepackt und so mache ich mich Sonntagabend bei knackigen Minusgraden auf in den Winterwald von Wershofen.
Nach wenigen Schritten sehe ich eine Sternschnuppe über den klaren Abendhimmel huschen und mich beschleicht das Gefühl, dass dieses Mikroabenteuer nur gut werden kann.
Es vergehen rund vierzig Minuten bis ich an meinem Ziel für diese Nacht angekommen bin. Ein paar Extrameter habe ich mir gegönnt als ich die falsche Abbiegung genommen habe, obwohl ich den Weg eigentlich gut kenne, aber im Dunkeln sieht eben doch alles anders aus.

Nun stehe ich in dem Waldstück, in dem sonst die Übernachtungsevents der Waldakademie stattfinden – bei klirrender Kälte, nachts, alleine. Ob ich Angst empfinde? Komischerweise nicht. Im Wald fühle ich mich irgendwie immer zu Hause, sogar nachts. Außerdem ist es nachts im Wald erstaunlich ruhig. Viele Tiere gönnen sich selbst eine Pause und gerade im Winter ist Ruhe angesagt, um keine wertvollen Energiereserven zu verschwenden.
Als ich im Schnee die Spuren eines Rehs entdecke muss ich kurz schmunzeln bei dem Gedanken an seinen überraschten Blick, wenn es mich bei seinem nächtlichen Spaziergang hier liegen sehen würde.

Es ist Zeit mein Nachtlager aufzubauen. Da der Sternenhimmel so unfassbar schön ist und ich meine Ausrüstung einem Härtetest unterziehen möchte, entscheide ich mich gegen ein Tarp. Leichte Zweifel habe ich schon, denn es gibt kaum etwas Schlimmeres als nachts aufzuwachen und festzustellen, dass man beim Aufbau des Lagers zu nachlässig war und noch einmal nachbessern muss. Also suche ich mir den besten Platz mit freiem Blick in Richtung Himmel, breite meine Zeltunterlage aus und lege eine Isomatte aus Schaumstoff und eine zweite aufblasbare Isomatte darauf – sicher ist sicher. Da ich keinen richtig dicken Schlafsack besitze, habe ich meinen Kunstfaserschlafsack mit einer Komforttemperatur von 0 Grad einfach in einen zweiten Schlafsack mit einer Komforttemperatur von 4 Grad gesteckt. Nachdem ich mir einige Schichten bestehend aus:

  • langer Unterwäsche, 
  • einem dicken Wollpulli, 
  • einer leichten, gefütterten Jacke, 
  • zwei Mützen, 
  • dicken Wollsocken 

und natürlich meinem Nierenwärmer, ohne den ich keine Outdoor-Übernachtung starte, angezogen habe, heißt es rein in die beiden Schlafsäcke. Bis ich mich bei dem ganzen Kram einigermaßen sortiert habe, steht mir der Schweiß auf der Stirn. Ich muss mir vorstellen wie eine Dampfwolke über mit aufsteigt, wenn ich die Schlafsäcke jetzt öffnen würde. Na gut, ich sollte mich besser nicht darüber beschweren, dass es zu warm ist…

Wohllebens Waldakademie

Während ich in den Himmel schaue und versuche Sternenbilder zu erkennen werden die Augenlider langsam schwer und ich schlafe ein. Unmittelbar neben meinem Lager fließt ein kleiner Bachlauf entlang. Bei den Übernachtungsevents im Sommer war er fast ausgetrocknet und wir haben verzweifelt nach ein paar nassen Stellen gesucht, um unsere Getränke zu kühlen. Jetzt führt der kleine Bach deutlich mehr Wasser und schon aus einiger Entfernung ist sein Rauschen zu hören. Kurz vor dem Einschlafen kam mir der Gedanke, dass das ständige Plätschern des Baches wahrscheinlich nicht folgenlos bleiben würde. Wie angekündigt wache ich auf und die Blase drückt. Da Ignorieren selten erfolgreich ist, schäle ich mich aus meinen wärmenden Hüllen und suche mir ein stilles Örtchen (zugegebenermaßen nicht wirklich schwierig)…

Zwei Stunden später weckt mich meine kalte Nase. Bei dem Versuch zu schlafen zieht die kleinste kalte Stelle am Körper sofort alle Aufmerksamkeit auf sich und verhindert einen erholsamen Schlaf. Bei mir sind es in der Regel entweder die Füße oder die Nase, die sich melden. Bei den Füßen hatte ich mit meiner dicken Daunenjacke vorgesorgt, die ich zusätzlich in den Schlafsack gesteckt hatte. 

Gegen die kalte Nase verkrieche ich mich komplett in die Schlafsäcke und ziehe den Reißverschluss so weit zu bis nur noch ein kleines Luftloch offen bleibt. Das muss reichen, lieber ersticken als erfrieren.

Offenbar kam noch genügend Sauerstoff an, denn als um 6 Uhr der Wecker klingelte wurde ich aus dem Tiefschlaf gerissen und war weder erstickt noch erfroren. Mein erster Blick ging in Richtung Himmel und der große Wagen funkelte mir entgegen. Warum ich mir einen Wecker gestellt habe? Tja, es war Montag und ein weiterer spannender Tag in der Waldakademie wartete auf mich. Pünktlich um 8:00 Uhr stand ich nach einem etwas anderen Arbeitsweg ziemlich erfrischt auf der Matte. Nicht der schlechteste Start in eine neue Woche.

Einen Video-Bericht zur Übernachtung gibts auf Instagram:

https://www.instagram.com/tv/CJ6YBTVnHBH/

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