Wie viele Arten die Erde bevölkern, ist eine der grundlegendsten Fragen der Ökologie. Sie ist noch immer ungelöst, selbst bei bislang gut untersuchten Lebensformen wie Bäumen. Nun haben Forschende aus aller Welt unter Beteiligung von Martin Herold vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) im Fachmagazin PNAS ihre Daten zusammengetragen und eine neue Schätzung für die Anzahl der Baumarten vorgelegt – auf biologischer, kontinentaler und globaler Skala. Den neuen Schätzungen zufolge gibt es auf der Erde rund 73.300 Baumarten, 14 Prozent mehr als bislang angenommen. Etwa 9.000 davon müssten noch entdeckt werden, 40 Prozent davon – so die Erwartung der Forschenden – in Südamerika. Nicht nur ein Drittel der bislang bekannten, auch die meisten unentdeckten Arten seien selten, nur auf bestimmten Kontinenten verbreitet und tropisch oder subtropisch. Die Schätzung der Anzahl der Baumarten ist von grundlegener Bedeutung für unser Verständnis vom Funktionieren von Ökosystemen und für die Optimierung und Priorisierung von Waldschutzmaßnahmen auf der ganzen Welt.
Hintergrund Artenvielfalt
Das Wissen um das Ausmaß der Artenvielfalt ist in mehrfacher Hinsicht nützlich. Erstens lassen sich daraus die evolutionären Mechanismen ableiten, die zur Vielfalt geführt haben – eine wichtige Grundlage für Vorhersagen künftiger Entwicklungen. Zweitens können sie helfen zu identifizieren, welche Systeme am widerstandsfähigsten gegenüber globalen Veränderungen sind. Und drittens ist eine Idee vom Ausmaß bislang unentdeckter und seltener Arten, die stärker vom Aussterben bedroht sind, wichtig für Maßnahmen zur Bewahrung der biologischen Vielfalt. So lässt sich auch quantifizieren, wie beispielsweise regionale Erhaltungsmaßnahmen wirken. Und Möglichkeiten zur Vorhersage des Aussterbens, zum Management von Hotspots der Vielfalt oder zur Sammlung von Keimplasma können verbessert werden.
1994 gab sich der renommierte theoretische Ökologe Robert May von der Universität Oxford optimistisch, dass man bis zum Jahr 2044 die Anzahl der derzeit auf der Erde existierenden Arten ungefähr kennen dürfte. Davon ist man aktuell allerdings auch bei so wichtigen und gut untersuchten Lebensformen wie den Bäumen noch ein gutes Stück entfernt. Sie erbringen eine Fülle von Ökosystemleistungen für den Menschen und unterstützen einen Großteil der terrestrischen Artenvielfalt. Insbesondere fehlt es an einem systematisierten Vorgehen. Unter anderem erweist es sich als problematisch, dass lokale Wissens-Ressourcen oft nicht so einfach für globale Fragestellungen genutzt werden beziehungsweise vorhandene Daten nicht einheitlich auswertbar sind.