Auch im Reich der Bäume gibt es einige Rekordhalter. So hat der Naturgeographie-Professor Leif Kullmann gemeinsam mit seinem Team den bislang ältesten Einzelbaum der Welt entdeckt. Die wissenschaftliche Datierung erfolgte durch die Analyse von Holzresten und fossilen Überresten. Das dabei genutzte Material, wie Holzreste und Zapfen, lieferte entscheidende Hinweise auf das wahre Alter des Baumes. Die Universität Umeå spielte eine bedeutende Rolle bei der Erforschung und Analyse dieser jahrtausendealten Bäume.
Wer an den ältesten Baum der Welt denkt, hat meist die mächtigen Mammutbäume Nordamerikas vor Augen: Gewaltige Stämme, die scheinbar bis in den Himmel wachsen. Doch der wahre Rekordhalter ist ganz anders: Eine schlichte, kaum fünf Meter hohe Fichte, die in der schwedischen Provinz Dalarna steht. Dort, inmitten der rauen Fjäll-Landschaft des Fulufjälls, trotzt sie seit fast 10.000 Jahren Wind, Schnee und Eis.
Der Entdecker Leif Kullmann gab der unscheinbaren Fichte auch ihren Namen: Old Tjikko. Damit setzte er seinem verstorbenen Husky ein Denkmal, der ihn viele Jahre lang auf seinen Expeditionen durch die Bergwelt Schwedens begleitet hatte. Der Hund war für Kullman nicht nur ein treuer Gefährte, sondern auch ein Symbol für die Zähigkeit und Ausdauer, die man in dieser lebensfeindlichen Umgebung braucht. Und genau diese Eigenschaften spiegelte er auch in dem Baum wider, der so unauffällig und doch unerschütterlich zwischen Felsen und Schnee steht.
Old Tjikko wächst im Fulufjäll, einer Fjäll-Region, die als Teil des Fulufjäll-Nationalparks für ihre besondere botanische und geografische Vielfalt bekannt ist. Das Gebiet gehört zur Gemeinde Älvdalen und liegt nahe der norwegischen Grenze.
Mit einem Alter von mindestens 9.550 Jahren hat diese gemeine Fichte (Picea abies) bereits das Ende der letzten Eiszeit erlebt. Sie gilt als außergewöhnliches Exemplar, das durch Neuaustriebe aus dem gleichen, uralten Wurzelwerk bis heute überdauert hat. In der Öffentlichkeit und selbst in wissenschaftlichen Berichten wird Old Tjikko oft als sogenannter „Klonbaum“ bezeichnet, aus botanischer Sicht ist das jedoch nicht korrekt. Der Begriff suggeriert eigenständige, genetisch identische Nachkommen, während es sich bei Old Tjikko tatsächlich um fortwährende Austriebe derselben Pflanze handelt. Diese Besonderheit und die außergewöhnliche Lebensdauer machen Old Tjikko zu einer Sensation in der Wissenschaft.
Wie Forscher das wahre Alter der ältesten Fichte der Welt bestimmten
Die Forscher rund um Kullmann ermittelten das Alter der Fichte mittels der Radiokohlenstoffdatierung abgestorbener Wurzelteile, Holzreste und anderer Überreste. Während der Baumstamm des Baumes auf rund 600 Jahre geschätzt wird, liegt das Wurzelwerk als entscheidender Teil verborgen im Boden. Das Zählen der Jahresringe des Stamms allein reicht nicht aus, um das wahre Alter des ganzen Baumes zu bestimmen, da das Wurzelsystem viel älter ist.
Über die Wurzeln sind Fichten in der Lage, immer wieder neue Stämme auszubilden. Die Stämme, die im Laufe der Zeit auf diese Weise gewachsen sind, sind Neuaustriebe des ursprünglichen Baums. Die Wachstumsraten des Wurzelwerks und der Stämme sind entscheidende Faktoren für die Altersbestimmung bei Bäumen.
Anpassung an Extremstandorte: So überlebt Old Tjikko seit 9.550 Jahren
Aufgrund der rauen Wetterverhältnisse in den Bergen Mittelschwedens können schwere Schneefälle sowie Stürme die Äste weit zu Boden drücken. Im Zuge dessen kommt es zu einer weiteren Art der Vermehrung: Durch den Bodenkontakt können Fichten aus dem Ast erneut eine Wurzel wachsen lassen, ein Vorgang, der als Wurzelschlagen bezeichnet wird. Auch diese Vermehrung durch sogenannte Absenker hat zu der langen Lebensdauer von Old Tjikko geführt.
Während die Stämme oberirdisch kommen und gehen, hat das Wurzelwerk die gesamten, knapp 10.000 Jahre überdauert. Das Nachwachsen und Wurzelschlagen von Ästen ist somit ein zentraler Mechanismus für die Langlebigkeit des ganzen Baumes. Die geringe Wuchshöhe der Fichte ist ebenfalls den beißenden Winden und teils heftigen Schneefällen im Nationalpark Fulufjället geschuldet. Old Tjikko hat sich durch seine Anpassungsfähigkeit an das raue Wetter behauptet. Ein Zaun schützt das empfindliche Wurzelwerk vor neugierigen Besuchern und sichert so das Überleben des Baumes.
Älteste Bäume der Welt: Old Tjikko ist kein Einzelfall
Old Tjikko ist mit mehreren Fichten, die ein Alter um die 8.000 Jahre erreicht haben, in bester Gesellschaft. Beispiele für andere jahrtausendealte Bäume sind etwa der King Clone, ein “Klonbaum” in den USA. Diese Beispiele zeigen, dass verschiedene Baumarten durch unterschiedliche Mechanismen und Wachstumsraten ein sehr hohes Alter erreichen können.
Die Annahme, dass Fichten erst vor rund 2.000 Jahren Einzug in diese Region Schwedens gehalten hätten, dürfte mit diesen Funden eindeutig widerlegt sein. Auch in den kalifornischen White Mountains lebt eine Kiefer, deren Name Programm ist: Pinus longaeva, die Langlebige Kiefer. Dieser Baum hat es ohne Neuaustriebe, mit ein und demselben Stamm sowie Wurzelsystem derzeit auf ein Alter von über 5.000 Jahren geschafft. Im Gegensatz zu Bäumen wie Old Tjikko kann bei solchen Exemplaren das Alter durch das Zählen der Jahresringe des Stamms bestimmt werden.
Was wir vom ältesten Baum der Welt lernen können
Das Geheimnis langlebiger Pflanzen liegt in der Fähigkeit der permanenten Erneuerung. Zwar unterliegen einzelne Organe dem Alterungsprozess, was letztendlich zu ihrem Absterben führt. Im Gegensatz zu uns Menschen sind Bäume jedoch in der Lage, die verloren gegangenen Organe immer wieder zu ersetzen und neu zu bilden – beispielsweise die Blätter im Frühjahr oder abgebrochene Äste.
Die Gründe für die außergewöhnliche Lebensdauer von Old Tjikko liegen
- in den kontinuierlichen Neuaustrieben
- dem robusten Wurzelwerk
- und der Fähigkeit, neue Stämme nachwachsen zu lassen
Old Tjikko und andere langlebige Kiefern zeigen uns daher einmal mehr, wie wenig wir über Bäume und das Ökosystem Wald zum jetzigen Zeitpunkt wissen.
Die Entdeckung von Old Tjikko war eine wissenschaftliche Sensation, die neue Hinweise auf die Mechanismen und Gründe für die außergewöhnliche Langlebigkeit von Bäumen liefert. Aussagen über das maximale Alter eines Baumes sind kaum möglich, da die meisten Bäume ihr volles Potenzial in unseren Wäldern noch nicht entfalten durften. Auch die zähe Fichte und ihre amerikanische Kollegin trotzen weiterhin den widrigen Verhältnissen auf den Bergkuppen und ein Ende ist nicht absehbar.
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