Ein häufiges Dilemma zwischen Forstwirtschaft und der Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes
Zwischen Holzernte und Erholung tut sich im Wald ein sichtbares Spannungsfeld auf. Wer regelmäßig unterwegs ist, kennt das Bild: Zerstörte Waldwege, tiefe Fahrspuren, aufgewühlter Boden. Besonders nach dem Einsatz schwerer Forstmaschinen sind manche Wege kaum noch begeh- oder befahrbar – ein Ärgernis für Spaziergänger, Radfahrer und Naturfreunde.
Dabei ist die Erwartung klar: Waldwege sollen zugänglich, sicher und in gutem Zustand sein, gerade weil sie von so vielen Menschen für ihre Erholung genutzt werden. Doch stellt sich die Frage: Haben wir überhaupt ein Recht darauf, uns zu beschweren? Und wozu oder besser: wem dienen die Waldwege eigentlich?
Fakt ist: Die Öffentlichkeit darf den Wald unter bestimmten Bedingungen betreten und das schließt auch das Wegenetz mit ein. Diese Regelung ist kein Nebenaspekt, sondern essenziell für die Schutz- und Erholungsfunktion, die dem Wald in Deutschland gesetzlich zugesprochen wird.
Wie sind Waldwege entstanden?
Manche Waldwege existieren bereits seit Jahrhunderten – einige Trassen reichen sogar mehrere Tausend Jahre zurück. Ursprünglich hatten sie eine rein funktionale Aufgabe, die sich auf wenige zentrale Zwecke konzentrierte:
- Erschließung des Waldes
- Transport von Holz und anderen Rohstoffen
- Zugang für forstwirtschaftliche Arbeiten
Ihr Zweck war klar funktional, aber angepasst an die damaligen Verhältnisse.
Doch um zu verstehen, warum viele Waldwege heute beschädigt oder überlastet sind, muss man gar nicht so weit zurückgehen. Auch noch im frühen 20. Jahrhundert wurden viele der heute genutzten Wege händisch von Hand angelegt, angepasst an das Gelände und mit natürlichen Materialien wie Naturstein oder Kies gebaut. Diese Wege waren nicht für die Befahrung durch 40-Tonnen-Forstmaschinen konzipiert, sondern für leichte Fuhrwerke und Fußgänger.
Dass eines Tages tonnenschwere Holztransporter über sie hinwegrollen würden, war damals schlicht nicht absehbar.
Warum sind viele Waldwege so massiv beschädigt?
Früher galt: Keine Holzabfuhr bei schlechtem Wetter. Denn nasse, weiche Wege wurden durch schwere Maschinen schnell in Mitleidenschaft gezogen. Diese Rücksichtnahme ist heute vielerorts Vergangenheit. Die moderne Holzernte zählt zu den häufigsten Gründen für die massive Befahrung der Waldwege mit schwerem Gerät – mit gravierenden Folgen:
- Erosion
- Staunässe und Wasserschäden
- Aufgeweichte und unpassierbare Wegabschnitte
- erhöhtes Unfallrisiko für Waldbesucher
Hintergrund ist der wirtschaftliche Druck in der heutigen Forstwirtschaft. So genannte Just-in-time-Verträge verpflichten dazu, das Holz genau dann abzutransportieren, wenn es gebraucht wird – unabhängig von Witterung oder Bodenverhältnissen. Damit lassen sich Lagerkosten einsparen, doch der Preis ist hoch: Immer mehr Wege leiden unter der ganzjährigen Befahrung.
Hinzu kommt: Fröste werden seltener. Was früher den Boden schützte, fehlt heute oft – mit entsprechenden Folgen für die Wegestabilität.
So verständlich der Unmut über zerstörte Waldwege ist, wird Kritik daran häufig abgetan: Die Wege seien schließlich „für die Forstwirtschaft gemacht“. Doch das greift zu kurz. Sicherheit, Zugänglichkeit und Erholung sind genauso Teil der Waldnutzung. Beschädigte Wege gefährden alle Besuchergruppen, von Spaziergängern über Radfahrer bis hin zu Familien mit Kindern.
Wozu dienen Waldwege und wer zahlt für Schäden?
Waldwege als Rückgrat der Waldbewirtschaftung und Erholung
Das großflächige Waldwegenetz in Deutschland dient in erster Linie der Erschließung von Waldparzellen – vergleichbar mit dem Straßennetz einer Stadt. Dabei ist zunächst unerheblich, wie die Flächen genutzt werden: forstwirtschaftlich, naturschutzfachlich oder gar nicht.
Was viele nicht wissen: Waldbesitzende sind für die Instandhaltung ihrer Waldwege verantwortlich – unabhängig von der Nutzungsart. Sie müssen dafür sorgen, dass Wege funktionstüchtig und sicher bleiben. Denn: Waldwege sind nicht nur für Maschinen da. Sie dienen auch der Öffentlichkeit zur Erholung, der Feuerwehr als Zufahrt, dem Naturschutz als Zugang und der Biodiversitätsforschung als Untersuchungsgebiet.
Schutz geht vor Nutzung, auch auf dem Weg
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach betont: Im öffentlichen Wald, der etwa die Hälfte der Waldfläche Deutschlands ausmacht, hat die Holznutzung hinter der Schutz- und Erholungsfunktion zurückzustehen. Diese verfassungsrechtlich verankerte Priorität gilt auch für das Wegenetz.
Hinzu kommt: Die Nutzung muss so erfolgen, dass die Wege nicht beschädigt werden. Doch da Holztransportfirmen meist nicht haftbar gemacht werden können, gelten in der Praxis die Waldbesitzenden als Verantwortliche für entstehende Schäden.
Wer zahlt für beschädigte Waldwege?
Die Kosten für Reparaturen werden meist aus der sogenannten Wegebaukasse bestritten. Das ist ein Fonds, in den die Waldbesitzenden einzahlen. Im Fall von öffentlichem Wald also mit öffentlichen Mitteln. Zusätzlich fließen staatliche Zuschüsse aus Steuergeldern, um das Wegenetz zu erhalten.
Die Instandsetzung ist oft teuer. Insbesondere auf vielfrequentierten Strecken, die mit tonnenweise Schotter stabilisiert werden, um sie für Forstmaschinen befahrbar zu halten. Dabei müssen Faktoren wie:
- Tragfähigkeit
- Wasserdurchlässigkeit
- Umweltverträglichkeit
berücksichtigt werden. Oft eine Herausforderung zwischen Ökonomie, Ökologie und öffentlichem Interesse.
Fazit: Du hast eine Stimme. Nutze sie für Waldwege in deiner Nähe
Die Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes hat in Deutschland Vorrang vor der Holznutzung. Dies schließt das Wegenetz ein.
Wenn Waldwege beschädigt oder unpassierbar sind, betrifft das alle: Spaziergänger, Familien, Radfahrende – und letztlich auch die Natur selbst. Deshalb ist es nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht, dass du als Privatperson Schäden meldest: bei der Kommune, dem Forstbetrieb oder über lokale Umweltstellen.

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