Nationalparks gelten als die strengsten Schutzgebiete in Deutschland. Hier soll sich die Natur weitgehend ohne menschliche Eingriffe entwickeln – echte Wildnis also.
Doch wie streng sind die Regeln wirklich? Und wie viel Natur bleibt in Deutschland tatsächlich sich selbst überlassen?
16 Nationalparks – Deutschlands stärkste Schutzgebiete
Insgesamt gibt es 16 Nationalparks in Deutschland, von den Alpen bis zur Nordsee.
Dazu zählen:
• Meeresnationalparks wie das Wattenmeer,
• Wald- und Meeresnationalparks wie z.B. Jasmund auf Rügen,
• Waldnationalparks wie der Bayerische Wald oder
• der Alpennationalpark Berchtesgaden.
Das Ziel von Nationalparks – gesetzlich festgelegt
Laut § 24 Bundesnaturschutzgesetz gilt:
„Nationalparke haben zum Ziel, in einem überwiegenden Teil ihres Gebiets den möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik zu gewährleisten.“
„Überwiegend“ heißt: mehr als 50 Prozent der Fläche müssen sich in ihrer natürlichen Dynamik entwickeln können. Nationalparks fördern außerdem Forschung, Umweltbildung und das Naturerlebnis der Bevölkerung – sie sollen also nicht nur schützen, sondern auch wissenschaftliche Erkenntnisse liefern, Wissen vermitteln und Menschen für die Natur begeistern.
Damit ein Nationalpark als echtes Großschutzgebiet wirken kann, braucht er ausreichend Fläche – mindestens 10.000 Hektar gelten international als Richtwert. Große, zusammenhängende Flächen sind entscheidend, damit sich Arten frei ausbreiten und stabile Rückzugsräume entstehen können. Nur zwölf der sechzehn deutschen Nationalparks erreichen diese Größe. Zum Vergleich: Der berühmte Yellowstone-Nationalpark in den USA ist mit über 900.000 Hektar rund 118-mal größer als z. B. der Kellerwald-Edersee-Nationalpark, den wir für unser YouTube Video besucht haben.
In dessen Verordnung steht, dass mehr als 90% der Fläche sich natürlich entwickeln können sollen. Außerdem sollen die IUCN-Kriterien der Kategorie 2 erfüllt werden.
Internationale Maßstäbe: Die IUCN-Kategorien
Die IUCN (International Union for Conservation of Nature) ist eine internationale NGO, die Kategorien für Schutzgebiete aufgestellt hat, die weltweit angewendet werden können. IUCN-Mitglieder aus Deutschland sind übrigens z. B. das Bundesumweltministerium, der Naturschutzbund oder, interessanterweise, der Deutsche Jagdverband.
Exkurs: Jagd im Nationalpark
Nationalparks der Kategorie II sollen nach IUCN zu mindestens 75 % streng geschützt sein und als Rückzugsräume für Wildtiere und natürliche Prozesse dienen.
Der Nationalpark Kellerwald-Edersee war 2010 der erste deutsche Nationalpark, der diese Kriterien erfüllte.
Der Bayerische Wald, der älteste Nationalpark Deutschlands (gegründet 1970), erreichte den IUCN-Status erst 2024 – 54 Jahre nach seiner Gründung.
Der Grund für die lange Dauer:
„Damals wurde politisch vereinbart, die neu hinzugekommenen Flächen über Jahre hinweg Stück für Stück in die Naturzone zu überführen. Daher wurde der für die IUCN-Zertifizierung erforderliche Naturzonen-Anteil von 75 Prozent erst 2022 erreicht.“, teilte man uns mit.
Erfolgsgeschichte mit Lücken
Nationalparks sind zweifellos eine Erfolgsgeschichte des deutschen Naturschutzes.
In den letzten 50 Jahren wurden 16 großflächige Schutzgebiete geschaffen, die wertvolle Rückzugsräume bieten und zur Erholung der Artenvielfalt beitragen.
Zudem profitieren viele Regionen wirtschaftlich durch sanften Tourismus und nachhaltige Regionalentwicklung.
Zu den Herausforderungen der deutschen Nationalparks konnten wir Dr. Harald Egidi, Leiter des Nationalparks Hunsrück-Hochwald, für ein Interview gewinnen. Das Gespräch könnt ihr ab Minute 5:05 in unserem YouTube-Video über Nationalparks in Deutschland ansehen.
Für die Zukunft gilt: Deutschland braucht mehr großflächige Schutzgebiete, aber auch ein Netz kleinerer Rückzugsräume, die als Trittsteine zwischen Nationalparks fungieren. So können Arten wandern und genetischen Austausch erhalten – entscheidend für stabile Ökosysteme.
Wir müssen weiterhin dranbleiben, Initiativen unterstützen und gemeinsam für eine mehr Wildnis kämpfen. Andere Länder zeigen, dass es möglich ist: Selbst Ruanda, das nur etwas größer als unser Bundesland RLP ist und eine höhere Bevölkerungsdichte als Deutschland hat, verfügt über Nationalparks, die zehnmal größer sind als der Kellerwald-Edersee.
Wenn wir Flächen klüger nutzen und unseren Verbrauch reduzieren, können auch wir das 10%-Schutzziel bis 2030 erreichen.
Fazit: Zwischen Ideal und Realität
Nationalparks sind ein zentraler Pfeiler des Naturschutzes in Deutschland – aber sie allein reichen nicht, um echte Wildnis zurückzubringen.
Trotz aller Defizite lohnt sich der Blick vor Ort:
Einfach rausgehen, erleben, staunen.
Denn nur wer die Natur kennt und liebt, will sie wirklich schützen.










Hinterlasse einen Kommentar
Alle Kommentare werden vor der Veröffentlichung geprüft.
Diese Website ist durch hCaptcha geschützt und es gelten die allgemeinen Geschäftsbedingungen und Datenschutzbestimmungen von hCaptcha.