slime mold, single celled organisms, amoeba

Was wir vom Schleimpilz lernen können

Ganz schön schlau!

Schleimpilz – klingt irgendwie eklig, fies und nicht sehr spannend. Doch hinter diesem wenig schmeichelhaften Namen verbirgt sich ein Lebewesen mit ungeahnten und nahezu menschlichen Fähigkeiten. Die Biophysikerin, Prof. Dr. Karen Alim, die aktuell an der Technischen Universität München forscht, nimmt uns in dieser Podcast-Folge mit in die faszinierende Welt der Schleimpilze.  

Obwohl sie den Pilz im Namen tragen, haben Schleimpilze eigentlich nicht viel mit Steinpilz, Fliegenpilz und Co. gemein. Allein ihre äußere Erscheinung erinnert an kleine Pilzfruchtkörper, die von einer glänzenden, schleimigen Schicht überzogen sind. Ihre Farbpalette reicht dabei von weißlich, über knallgelb bis hin zu Lila, sodass Schleimpilze zum Teil richtig Farbe in den Wald bringen. Im feucht-kühlen Schatten großer Baumriesen und umgeben von reichlich Nahrung in Form von Totholz und heruntergefallenem Laub, fühlen sich die ausdauernden Knilche so richtig wohl. Auch wenn der Wald vielen Schleimpilzen ein optimales zu Hause bietet, kann man sie überall auf der Welt, sogar an der nördlichsten Spitze der Antarktis, finden.   

Die widerstandsfähigen Anpassungskünstler zählen zu den ältesten Lebensformen auf der Erde, deren Bauplan bereits seit 100 Millionen Jahren gleichgeblieben ist: eine einzige Zelle, die über abertausende Zellkerne verfügt.  

Umso erstaunlicher ist es da, dass Schleimpilze wandern, lernen und sich erinnern können. Angelockt durch Haferflocken, die Lieblingsspeise einiger Schleimpilze, sind sie sogar in der Lage auf kürzestem Weg aus einem Labyrinth herauszufinden. Selbst Städteplaner*innen werden von den Einzellern in den Schatten gestellt. In einem Experiment hat man den Großraum Tokio nachgebildet und die einzelnen Vorstädte sowie die Innenstadt wiederum mit leckeren Haferflocken gekennzeichnet. Innerhalb weniger Stunden hatte der Schleimpilz sein feines Adernetzwerk, das er zur Fortbewegung nutzt, ausgestreckt und die Haferflockentürmchen geschickt miteinander verbunden. Und siehe da: die entstandenen Verbindungen entsprachen erstaunlich genau dem vorhandenen Straßenbahnnetz in Tokio.  

An einem Freitagnachmittag stellten Prof. Dr. Alim und ihre Kolleg*innen erstaunt fest, dass manche Adern nach einer Haferflockenmahlzeit dicker waren als andere. Sofort kam den Forschenden die Assoziation zu unserem menschlichen Nervensystem, bei dem die Verbindungen zwischen den einzelnen Nerven ebenfalls stärker und dicker werden je häufiger sie genutzt werden. Der Verdacht bestätigte sich und sie konnten tatsächlich nachweisen, dass Schleimpilze in diesem Adersystem Informationen aufnehmen, verarbeiten und speichern können, also ein Gedächtnis haben. Es ist sogar möglich den Schleimpilzen mit bloßem Auge bei ihren Lernprozessen zuzuschauen. Ganz entspannt lassen sich die Ströme in ihrem Adernetzwerk nachverfolgen. Hierdurch helfen die urzeitlichen Lebewesen maßgeblich dabei auch die Vorgänge im menschlichen Körper zu verstehen, beispielweise die Reaktion eines Adersystems auf eine Verstopfung, wie es bei einem Schlaganfall der Fall ist.   

Auch die Fortpflanzung dieser Überlebenskünstler ist alles andere als gewöhnlich. Oder hätten Sie vermutet, dass es unter den Schleimpilzen rund 720 unterschiedliche Geschlechter gibt? 

Wer nun (verständlicherweise) vom Schleimpilz-Fieber gepackt ist, kann sich die faszinierenden Kreaturen sogar als Haustier halten. Tipps für die richtige Pflege dieses außergewöhnlichen Mitbewohners erhalten Sie in dieser Podcast-Folge oder Sie statten Prof. Dr. Alim und ihrem Team beim nächsten Tag der offenen Tür an der Technischen Universität München einen Besuch ab. 

Autorin: Laura von Witzenhausen

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