FFH-Gebiete: Schutzräume für Artenvielfalt
Im Zusammenhang mit Naturschutzprojekten und Artenschutz ist häufig von sogenannten FFH-Gebieten die Rede. Die Abkürzung steht für Fauna-Flora-Habitat-Gebiet. Hinter diesem bürokratischen Begriff verbergen sich die Lebensräume von Tieren und Pflanzen, die nach EU-Recht geschützt sind.
Die rechtlichen Grundlagen für die Ausweisung von FFH-Gebieten und Natura 2000 Gebieten bilden die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie, auch Fauna-Flora-Habitatrichtlinie genannt) und die Vogelschutzrichtlinie. Die FFH-Gebiete dienen dem Schutz bestimmter Arten und Lebensraumtypen, die in den Anhängen der Richtlinie (z.B. Anhang I, Anhang II, IV) gelistet und in entsprechenden Listen aufgeführt sind. Special Areas of Conservation (SAC) bzw. besondere Erhaltungsgebiete (BEG) sind zentrale Kategorien im Natura 2000-Netzwerk.
Natura 2000: Ein europäisches Schutzgebietsnetz
Die Unterschutzstellung und Errichtung dieser Gebiete erfolgt durch die Bundesländer, wobei die föderale Struktur Deutschlands eine wichtige Rolle spielt. Ziel der Europäischen Union ist es, ein Schutzgebietsnetz aufzubauen, das wildlebende Pflanzen- und Tierarten und deren Lebensräume erhält. Dieses Netz wird als Natura 2000 bezeichnet und basiert auf den Vorgaben der Artikel und Anhänge der FFH-Richtlinie. Der Erhalt der biologischen Vielfalt steht dabei im Mittelpunkt.
Die Auswahl und Einstufung der FFH-Gebiete erfolgt nach festgelegten Kriterien. GGB (Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung) sind darin besonders hervorgehoben. Die FFH-Gebiete machen einen bedeutenden Teil der Landesfläche aus; ihr Meldeanteil wird regelmäßig an die EU-Kommission übermittelt.
Dokumentation und Beispiele aus der Praxis
Auch Meeres- und Wattflächen sind Bestandteil des Schutzsystems – etwa die Boddengewässer der Ostseeküste oder der Bodensee. Die genaue Lage aller FFH-Gebiete ist in offiziellen Kartenanwendungen einsehbar. Erhaltungsdaten werden regelmäßig aktualisiert, veröffentlicht und stehen zum Download bereit. Die Beobachtung und Dokumentation bestimmter Arten dient dem langfristigen Schutz ihrer Lebensräume und stützt das gesamte Natura 2000-Konzept.
Rechtliche Grundlagen und Schutzmechanismen für FFH-Gebiete nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie
Flächen einer bestimmten Größe, in denen bestimmte Leitarten auftauchen, müssen nach dieser Richtlinie von den entsprechenden Ländern gemeldet werden. Die EU-Richtlinie besagt auch, dass die Schutzgebiete nach Meldung nicht mehr verschlechtert werden dürfen (Verschlechterungsverbot), z.B. in Bezug auf Forstwirtschaft. Die Überwachung und Bewertung des Erhaltungszustands der Gebiete erfolgt regelmäßig, um die Einhaltung der Schutzmaßnahmen sicherzustellen. Die Daten zur Bewertung und Bericht-Erstellung werden kontinuierlich erhoben und im Amtsblatt veröffentlicht. Die Verfügung und Verordnung auf Landesebene bilden die rechtliche Grundlage für die Verwaltung der FFH-Gebiete. Der Schutzstatus darf nur aufgehoben werden, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse für die Auflösung vorliegt. Die Stand-Angaben zu Flächen und Schutzmaßnahmen werden regelmäßig aktualisiert, um den aktuellen Zustand der Gebiete zu dokumentieren. Die Bewertungsraten (Rates) und die Erstellung von Artenlisten und Lebensraumtypen sind für die Umsetzung der Richtlinie von zentraler Bedeutung.
Beispiel aus Hessen: FFH‑Gebiete rund um den Dannenröder Wald – und die Rodungen
Die beiden hessischen Waldgebiete Herrenwald und Maulbacher Wald, die um den Dannenröder Wald liegen, gehören zu den nach EU‑Recht geschützten FFH‑Gebieten. Im Zusammenhang mit dem Ausbau der A49 wurden Teile dieser Schutzgebiete jedoch gerodet:
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Ab Oktober 2019 begannen zunächst die Rodungen im Dannenröder Wald, der sowohl aus altem Mischwald besteht (mit bis zu 250‑jährigen Buchen und Eichen) als auch Teile des Herrenwalds und Maulbacher Waldes umfasst.
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Oktober 2020 startete die Forstarbeit im Herrenwald; am 8. Dezember 2020 fiel die letzte Eiche auf der Trasse – damit waren die Baumrodungen entlang der geplanten Strecke vollzogen.
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Laut Presseberichten wurden zunächst Baumhäuser und Barrikaden geräumt, dann gingen die Rodungsmaschinen vor – begleitet von massiven Polizeieinsätzen gegen Aktivist*innen.
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Räumung und Rodung erfolgten trotz FFH‑Schutzstatus – der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kritisierte die Übergabe der bereits gerodeten Waldflächen als „Schneise der Verwüstung im geschützten NATURA‑2000‑Gebiet“.
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Der Umfang: Insgesamt wurden etwa 85 ha Wald gerodet, davon rund 27 ha im Dannenröder Wald.
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Der Protestumfang und Widerstand: ein bundesweiter Großeinsatz mit bis zu 2000 Polizeikräften, in denen Aktivist*innen teilweise schwer verletzt wurden.
Widerspruch zwischen Schutz und Realität: Rodung trotz FFH-Status
Diese FFH‑Gebiete wurden trotz Schutzstatus gerodet – eine deutliche Diskrepanz zwischen der Schutzfunktion und der tatsächlichen Nutzung im Kontext der Autobahntrasse.
FFH-Schutz versus Infrastrukturprojekte: Ein Konfliktfall
Bereits seit dem Beschluss des Autobahnbaus in den 60er Jahren gingen Bürgerinitiativen gegen das geplante Projekt vor. Folglich stellte sich die Frage, ob das überwiegende öffentliche Interesse für den Bau der Autobahn überhaupt vorlag, das gleichzeitig die Aufhebung des Schutzgebietes bewirkte. Die Auswirkungen von Planungen und Projekten auf den Erhaltungszustand und die Sicherung der Gebiete hätten im Rahmen der FFH-Richtlinie sorgfältig geprüft werden müssen, um den dauerhaften Schutz zu gewährleisten.
Peter Wohlleben äußert sich in einem Gespräch mit Carola Rackete zu der Thematik wie folgt:
"Irgendetwas ist da verlogen, da man zum Zeitpunkt der Meldung des Schutzgebiets schon wusste, dass die Autobahn durch den Wald laufen soll. Deutschland hat zwar international seine Pflicht mit der Meldung getan und hält sich jetzt einfach nicht an den Schutzstatus. Die meisten Menschen wissen gar nicht, dass dieselben Institutionen, die den Wald haben schützen lassen, ihn nun abhacken wollen."